EIN BESONDERS FREIES UND NATÜRLICHES SOMMERERLEBEN ! an der Südküste Siziliens, gemeinsam mit meiner Freundin Petra im Sommer 2012. Unvergesslich und essentiell für immer.
Wie ich hier so an meinem kleinen Schreibtisch sitze – heute, an einem so blauen Juli-Sommertag – fliegen viele Begegnungen und Bewegungen der letzten beiden Monate noch einmal an mir vorbei. Von Punta Secca an der Südküste Siziliens nach Berlin und Thüringen und ins Wendland; von da an die Ostsee nach Stellshagen und Parin und wieder nach Berlin und nach Westfalen und von da nach Bremen und Thüringen zu meinen Eltern und weiter zum Feiern nach Lostau und dann nach Lüneburg und wieder nach Thüringen und nun an den Chiemsee und wieder nach Berlin … doch das kommt ja erst … und in all der äußeren Bewegung so viele Begegnungen mit Menschen und Wesen. So viel Fülle und Freude. Lesungen und Schreibkunsttage, Buchpremieren und Fernschreibkurse und Arbeit an meinen Konzepten … und ja: Inneres Wachsen ist da – es “rundet” sich etwas. Ich lächle vor mich hin.
Ich höre mein Herz sagen: Wie reich doch mein Leben ist! Notizen und Bilder wandern an dieser Stelle in den Lebensreiseblog.
5.5., Elfchen aus Punta Secca
Blaufrau am Meeresort lässt es fließen möge alles sich weiten erblaut!
9.5., Modica – Tagebuch Ich möchte einmal einen Monat in Modica wohnen. Vielleicht im nächsten Mai. Der Mai, der schöne Mai. Sizilien mit deinen Kräften – du wohnst in mir. Ich sehe Modica, die Silhouette einer Stadt in den Monte Iblei – wie ich ganz oben bei “San Giorgio” bin und die Schokolade bei Bonaiuto koste. Bei Quasimodo wieder das “Herz der Erde” vorlese und den “Brief an die Mutter” … und Mariella, die Schöne uns führt … und dann werde ich auch Alessandro kennenlernen, den Sohn von Salvatore Quasimodo. Du musst kommen, wenn er da ist!, sagt Mariella. Das werde ich, ganz bestimmt.
“Wir haben Platz genommen in einer unglaublichen Unendlichkeit bis zum Horizont – nur – wir fühlen es nicht.” Irgendwo las ich das auch und schrieb es auf. Ich fühle es oft, immer wieder …
11.5., Punta Secca
UNABHÄNGIG!
Nur dieses Wort steht da.
17.5., Schlachtensee, Berlin
Fremd bin ich hier
doch ich bin bei mir:
So bleibe ich beschützt.
Traum am 29.5., Fambach/Thüringen
Von allen Seiten das Meer, heller Sommer, Wellen. Ich bin da mit einem Mädchen, so um die 5 Jahre. Dabei ein jüngerer Mann, wir spielen alle!
13.6., Teplingen, Schreibkunsttage “Mein Arkadien” – Sehnsucht nach dem Weiß oder Verlockung
Du, weißes Bild, so leer und so einladend, bist mein Arkadien. Jungfräulich schaust du mich an – möchte mich mit dir vermählen – mit dir, du unbemaltes Blatt. Dann, vielleicht verwandeln wir uns gemeinsam. Was meinst du? Nein, wir können es noch nicht genau wissen – ich lade dich einfach ein und du lädtst mich ein – offen und frei und froh wollen wir sein!
17.6., Parin, Tagebuch
Ich schaue aus dem Fenster in hohe alte Bäume und auf den kleinen Teich hier in Parin. Gegenüber auch der Hengst, der wohl eine Frau sucht? Es sieht ganz so aus. Ihm liefen gestern Tränen aus den Augen. Sein Glied war riesig – ob er wohl alleine ist, denke ich bei mir? Da sehe ich ein Schild. Er ist ein Zuchthengst und muss deshalb alleine stehen. Ich weiß nicht, mir kommt das traurig vor.
Seit heute habe ich gar keine Kopfschmerzen mehr, die mich die ganze Zeit in Deutschland begleiteten! Die Ostsee, der Sand – ich war wieder Kind – einfach so in der Sonne.
Da verwandle ich mich augenblicklich und das schwere Land hier fällt von mir ab …. mir tut die Zeit hier gut und vor allem die Klarheit, mir meine alleinige Zeit zu gönnen.
19.6. Zugfahrt von Grevesmühlen nach Berlin
Mit der ODEG fahre ich, aus Mecklenburg durch den Osten hin nach Berlin. Die Ostdeutsche Eisenbahngesellschaft – ich rolle dahin und freue mich. Erinnerungen … – im November 2010 habe ich im Auftrag der Geschäftsführung der ODEG eine Literaturwoche gestaltet; in den Zügen gelesen, einfach mitgefahren mit einem kleinen Lautsprecher und Gedichte gelesen, Bahngeschichten – das war eine Freude! Die fahrgäste interviewt, wohin sie fahren … dann mit alten Eisenbahnern eine Stellwerkslesung; eine Sonderfahrt gab es auch im alten Mitropa-Wagen … – das war ganz meins!
Nun gehts nach Berlin hinein … mit Aufenthalt in Bad Kleinen. Da wachsen die Malwen ..
22.6., Berlin, Morgen, Nibelungenstraße
Kiefer im Garten
Still heute dein zartes Haupt
Efeu umrahmt deinen Stamm
Saxophonmusik, die S-Bahn rollt und getaktet das rollende Leben. Berlin ruft!
In allem ein Leuchten
Sommer ist’s und das Feuer des Lebens strahlt!
22.6., 11 Uhr, 7-Seen-Tour ab Berlin Wannsee
Fahrkarte 60+ – ich bekomme jetzt Ermäßigung! – Und ab geht es in neue Fahrwasser über 7 Seen. Der Käptn gefällt mir, sabbelt nicht so viel und erzählt pointiert. Strandbad Wannsee seit 1907 – vorher durfte man bei preußens nicht in Flüssen baden; 1,5 km lang und damit das größte Strandbad Europas. Der Glienicker See. Die Glienicker Brücke auf der einen Seite NATO-Grün und auf der anderen NVA-Grün … und so viele kleine Wunder an den Ufern; Kälberwerder, Pfaueninsel und Schloss Babelsberg auch, und dann auch über den Griebnitzsee – in der Mitte, wo ich unbegrenzt fahre, da war die Grenze mal und dort die “Churchill-Villa” so viele Seen aber auch! Mein Herz hüpft, hier gibt es viel zu sehn! Jungfernsee, Tiefensee, Stölpchensee, Pohlesee und dann der kleine Wannsee. Heinz Rühmann wohnte in einem alten Blockhaus da … und ja dann land ich wieder an. Man, vielleicht fang ich doch noch mit dem Rudern an!
22.6., 15 Uhr, Mit Sophie schreibend über den Wannsee!
Sophie ist 18 Jahre und zeigt mir ihren Lieblingsplatz in Kladow an der Havel. Und wir schreiben. Sie schreibt über ihre Visionen. Klar und beschützt. Wir machen gemeinsam Picknick! Sie hat von allem doppelt dabei … – solch Freude aber auch!
25.6. – Sacrower See, abends
Ein Abendbadewunder. Geradelt von Alt- Kladow nach Sccrow, mitten über die ehemalige Grenze in den Osten! Heiß, heiß, heiß! Einen Mann am Weg nach dem Weg gefragt. “Nach Sakrow möchte ich zum Baden!” “Oh ja, das machen Sie gut, zum Baden!”
Charmanter Typ. “Rechts zum Rittersaal dann …”
Ein einziges Staunen, ein einziges Lachen … – auf der ganzen Fahrt. Und eine Gärtnerei mit lauter Rosen am Weg! Und am Sacrower See eine Dame mit Hund, der ist schon alt. Ich nicht, ich springe in den märchenhaften See und schwimme auf die Mitte – ind dann ein Abendwunderbild. Und die Dame sagt:
“Ja, das war hier mal Osten, deshalb ist es auch noch so schön … ”
Dann kommen Menschen mit irgendwelchen Rettungsballons um die Taille, falls man sich in den Algen verfängt und dann … – ich radle davon und beschließe: Beim nächsten Mal kehre ich im “Rittersaal” ein, kleine Gaststätte so am Weg …
1.7., Dom zu Bremen – Mittagsgebet
Alles hat seine Zeit. Das Geborenwerden hat seine Zeit. Das Sterben hat seine Zeit.
Wie die Pastorin aus dem alten Testament liest und erzählt, das berührt mich in der Tiefe. ich fühle das Geborenwerden und ich denke an meine alten Eltern … – ich sitze lange.
7.7., Strandbad Breitungen, Kindersommertag
14.7., Lüneburg
Ich lese bei Christina Kessler: Eine echte Beziehung zu sich selbst und durch sich zur Welt will sich voller Freude entfalten … doch ist ihre typische Aktivität nicht als bloße “Arbeit”, als Muss zu verstehen. Es ist ein DÜRFEN: die Erlaubnis und das Versprechen an sich selbst, das zu leben, WAS DURCH MICH SEIN UND WERDEN WILL. MEINEM WILDEN HERZEN AUSDRUCK ZU VERLEIHEN. OHNE WENN UND ABER. Eine neue Lebens-Reise-Begegnung! DA GEHTS LANG, LIEBE HEIDRUN, LIEBE ADRIANA!
Wir wissen das ja und üben weiter!
Danke an das Leben, das mir viel gibt! Grazie alla vita che mi da tanto! Ich fühle: … bewusst in die Welt leuchten … und sich ausbreiten … wo alles sich vereint …
“Übermut tut gut! Unterwegs in den Süden” ist der Titel meines Hörbuchs, das im Sorriso Verlag 2017 erschienen. Karen Christine Angermayer ist Geschäftsführerin der Sorriso Verlags GmbH. Am 28. Juni 2019 interviewte mich die Verlegerin. Wir sprachen über mein Buch, Sizilien, den Übermut, den Mut zum wandelnden Leben … Danke, liebe Christine Angermayer, für die wertvolle Begegnung.
Hier genießen Sie den letzten Track meines Hörbuchs “Übermut tut gut! unterwegs in den Süden”!
Hat Ihnen der lebendige Mittsommertag gefallen? Sieben Jahre bewegte Reise- und Lebenszeit (2011-2017) im Außen und im Innen, zwischen Sizilien und Deutschland erwarten Sie 170 Hörminuten. Viel Wandlung, Abenteuer, Liebe, Meer, Sonne, Ätna und und und … Mittsommer!
Seit zwei Tagen bin ich wieder hier an der Südostküste Siziliens. Am Meeresfleckchen Punta Secca in der kleinsten der sizilianischen Provinzen, der Provinz von Ragusa. Seit zwei Jahren weile ich nach fünf Jahren am Vulkan Ätna öfter hier am Afrikanischen Meer, dem Canale di Sicilia. Schreibe und begleite Schreibgruppen unter dem Thema:
Sizilien und sich selbst entdecken, die ureigenen Worte wecken!
“Du zeigst, wie man Wandel leben kann, weil du es lebst!”
(Katrin, Ärztin aus Hamburg, Einzelschreibbegleitung Mai 2018)
So komme ich also heute, am 28. April 2019, wieder neu in Punta Secca an. Denn man kommt ja immer wieder anders an einem bekannten Ort an.
Ich gehe sehr früh aus meinem kleinen appartamento, das ich gemeinsam mit zwei Freunden und drei Hunden bewohne. Circa 100 Meter bis zum Meer, an den Weststrand des 200-Seelen-Ortes. Warm ist es, aber der Wind bläst – ein venticello, wie die Sizilianer sagen. Vor mir liegt das weite Meer, blau mit braunen Einsprengseln – es ist bewegt vom Sand. Am Horizont fährt ein Frachtschiff. Ich gehe, bekleidet wie eine Sizilianerin mit Jacke und Schal, durch den Sand in Richtung “Torre Scalambri”. Über allem, als Wahrzeichen von Punta Secca, der weiße Leuchtturm aus dem Jahre 1858. Er zeigt mit seinen Signalen den Schiffen den Weg.
Punta Secca, Weststrand
Der “Torre Scalambri” ist einer der vielen alten Befestigungstürme gegen die Angriffe der Piraten entlang der Südküste über die Jahrhunderte.
Für mich wird er diesen Morgen zum Früh-Cafe-Ort. Der Turm ist nämlich eine Bar mit weißen Tischen und Stühlen, geführt von den Schwestern Celia und Carmen. Die eine hat knallrote Haare im Pagenschnitt und dazu einen knallroten Mund. Die andere cappelli ricci, natürlich wild gelocktes Haar und ist ganz ohne Schminke. Ich freue mich spazierend schon auf die Morgenfrauen. Während ich so gehe, da kommt ein junger Mann mit einem sehr schönen Schäferhund. Sie drehen ihre Morgenrunde und er darf zu mir kommen, um gestreichelt zu werden. Igon, so heißt er. Ich freue mich immer an den Tieren und den Menschen, die sie so liebevoll behandeln. Igon hat wohl ein Morgenbad genommen.
Hier sollte man nicht baden. Es gibt viele Strömungen am Weststrand von Punta Secca.
Das sagten mir die Einheimischen. Ich schlendere, irgendwie bin ich müde. Die Nacht war traumreich und etwas schlafarm. Was steigt mir nicht alles in meine Träume! Doch nun komme ich am Turm, am Torre, an. Es sitzen wenige Menschen da, in der windigen Morgensonne. Hier ist es oft sehr windig. Heute eben ein Venticello, ein kleiner Wind. Kühl. Ich setze mich auf einen weißen Hocker, lehne meinen Rücken an die morgenwarme Kalksteinwand. Habe meine blaue Wolljacke an und das tut irgendwie richtig gut. Ich bestelle einen Cappuccino und mein Cornetto con frutti di bosco, mit Waldfrüchten. Doch die gibt es heute nicht. Ich nehme mit lamponi, Himbeeren, und Yogurt.
Wie ich so sitze und in die Morgensonne schaue, da muss ich weinen.
Ich bin berührt von etwas, was noch irgendwie unaussprechlich. Die Tränen zeigen es an. Berührung geschieht. Manchmal frage ich mich, ob auch andere Menschen diese Momente kennen, wo plötzlich etwas “hochsteigt”, das man noch gar nicht benennen kann???
Ich weiß von meiner Reise, dass es immer bedeutsame Augenblicke der inneren Reise sind. So saß ich mehrmals in den Ätnawiesen, dann im kleinen Hafen von Procida, auch aus Leipzig und vom Elbenstrand kenne ich das Weinen, das mich “überfällt” und nicht zu stoppen ist ♥… ich habe einen Text begonnen mit dem Titel “Wo ich weinte”. Doch jetzt sitze ich hier am “Torre Scalambri” und wische mir die Tränen weg – es könnte ja auch eine Erkältung werden …
Mir gegenüber ein Haus, ein Bed&Breakfast. Die Casa di Montalbano.
Die filmberühmte “Casa di Montalbano”in Punta Secca.
Der Commissario Montalbano ist eine Figur aus den sizilianischen Kriminalromanen von Andrea Camilleri, der an der Südküste in Porto Empedocle 1925 geboren. Dieses Hotel ist mehrmals im Jahr Filmkulisse, denn dann wohnt er dort, der Krimiheld. Schwimmt, geht spazieren in den Sonnenuntergang, vermählt sich, schläft, empfängt Geliebte … jagt die Mafia – eben alles, was so ein sizilianischer Commissario zu tun hat. Andrea Camilleri entwirft mit seinen Krimis wirklich ein Alltagsbild des sizilianischen Lebens, auch wenn die Filmkulisse vom Regisseur an andere Plätze versetzt wurde, um die schönen Strände und Barockstädte des Südostens der Insel zu zeigen. Manchmal sitze ich auch dort mit Gruppen und lese vor. Beispielsweise aus “Die Frau aus dem Meer” – eine sehr feine Liebes – und Sirenengeschichte. Und einmal kam es schon vor, dass zwei Frauen, die ich 10 Tage in die Poesie der Insel Siziliens begleitet, für wenige Zeit ihre Ferienwohnung im Erdgeschoss des Hotels verlassen mussten, da überraschend gedreht wurde!
Ich überlege, ob ich noch einen Cappuccino nehme – entscheide mich dagegen und bezahle meine 3 Euro für Getränk und Cornetto. Das ist schon relativ teuer – der Durchschnittspreis liegt bei 2,50 €.
Ich kenne alle Caféorte in Puntasecca, da ich eine Cafeschreiberin bin.
Dieses Vergnügen kommt aus dem Moment heraus. Oft schreibe ich zur Hand, dann manchmal mit dem Laptop. So sind meine Reisetagebücher entstanden – eine Sammlung von Augenblicken!
Ist nicht das ganze Leben eine solche Sammlung von Lebensmomenten?
Für mich: Ja!
Es ist eine Reise. Eine Aneinanderreihung von Erfahrungen. Und aus dieser Sammlung, die manchmal ganz unverhofft entsteht und manchmal über Jahrzehnte sehr geordnet daher kommt, kommt die Lebendigkeit, kommt das eigenen gelebte Leben! Wenn es uns gelingt, es zu leben und nicht in der Vergangenheit, beständiger Erinnerung, in Drama und Starre zu verharren! Als Biografieforscherin durfte ich das immer wieder sehen – diese Formung von Lebenslinien und Wendepunkten, die man auch schreibend vor sich hinstellen kann.
Ich gehe heute weiter, ohne zu schreiben, und treffe Irene und Filippo mit ihren beiden Hündchen. Wir sprechen über das Auto, das sie mir geliehen und das ich am 12.5. zurückgeben werde. Dann gehe ich weiter zum porticello, dem kleinen Hafen von Punta Secca. Wie erwartet treffe ich Giuseppe und den Hund Leo und andere Männer, die ich kenne. Sie fragen mich nach meiner Hündin Neringa, die alle mochten und ich erzähle die berührende Geschichte … – und dass sie nun bei den Stadtmusikanten in Bremen wohnt!
Sie sitzen jeden Morgen und jeden späten Nachmittag hier und öfter sehe ich meinen Vater unter ihnen – er täte ihm gut, dieser kleine Hafen mit seinen vielen Geschichten und Gerüchten …!
Come stai? Wie geht es dir? Perchè sei vestita cosi? Warum bist du so angezogen?
Ja, ich bin wirklich eingehüllt in viel Kleidung bei der Sonne. Noch vor einem Jahr war ich bei diesen Temperaturen sommerlich gekleidet. Mein Körper hat sich so schnell umgewöhnt.
Bald beginnt die Thunfischperiode. Ich erinnere mich, wie ich bei Silvia und Giuseppe den Tonno gegessen habe und auch die Ricci del mare, die Seeigel mit pasta. Pures Meer im Mund, das war das Grundgefühl. Und dann die Tintenfische! Ich habe sie selbst zubereitet. Viel durfte ich lernen von den Sizilianern.
Ich gehe weiter, den Weg, den ich immer mit Neringa von Caucana gekommen. Hier begegnet mir niemand. Ich weiß auch gar nicht, wie spät es ist … ich komme vorbei an den Kalksteinen, wo wir immer gespielt und gehe bis zum Ende, zu der Bucht, wo ich gebadet. Die Hündin kam immer ein kleines Stückchen mit, erinnere ich mit einem Lächeln. Dann lief sie am Strand entlang und erwartete mich. Heute setze ich mich auf einen großen Stein am Ufer und mache etwas Yoga. Aus Richtung Casuzze kommen um die Meeresecke wenige Menschen. Freundlich gestimmt.
Bei der Meeresfrau vorbei
auf dem Rückweg. Oben der alte Stuhl, wie ein Meeresbalkon. Ich setze mich, lege die Beine auf das Geländer. Schaue in die Meeresweite. Sehe die Augen der Frau vor mir, die hier mit Mann und zwei Kindern und dem kleinen Hund wohnt, der so genüsslich vor sich hin badet. Valeria ist nicht nur von dieser Welt und sie spricht immer von der Freiheit, die sie hier gewonnen, am Meer! Wir sind uns ähnlich … Wie das leben enen sowieso zu den Begegnungen führt, die man braucht, um weiterzugehen …
Unter dem freien Himmel in mir!
Und letzten Somemr sah ich sie mit dem alten Holzboot hinausfahren, mit ihrem Mann, den Pizzaiolo. Wie sie da im Boot waren, da dachte ich an Philemon und Baucis, die Alten aus dem “Faust”.
Dann der Weg am Strand zurück zum Leuchtturm, zum kleinen Hafen. Vorbei am “Sand”, wo mir Antonio zuruft:
Ciao Adriana, ben tornata!
Willkommen Adriana!
Und dann sehe ich endlich Silvia sitzen und neben ihr der Straßenhund Pecorella, um den sie sich so liebevoll kümmert. Das erwärmt mich richtig. Wir sprechen darüber, was wir erlebt: ich in Deutschland und der Schweiz an acht verschiedenen Orten; sie vor Ort in Punta Secca. Eine herzliche Umarmung – ci vediamo – wir sehen uns.
Ich gehe über die neue weiße Meeresterrasse. Nun tummeln sich schon Familien. Stände sind aufgebaut. Ich sehe den alten schmalen Tunesier mit seinen Kleidern, aber Anna aus Modica fehlt – es ist noch zu früh. Doch nicht für
Il bacio di Zefiro
Mein 1. Eis in Punta Secca kaufe ich mir in dem kleinen Eisladen, der den geheimnisvollen Namen hat:
IL BACIO DEL ZEFIRO. Ich weiß, was er bedeutet. Dahinter versteckt sich eine Legende vom Westwind, die mir der Besitzer erzählte. Heute sieht er müde aus und ich kaufe mir ein kleines Pistazzieneis. Ganz grün. Auf dem Rückweg schleckere ich das Eis … setze mich noch etwas in den Sand und gehe nach Hause in die Via Antonio Segni. Beim nächsten Mal genieße ich eine Granita. Was das ist???
Wollen Sie vielleicht auch an diesen schönen Orten schreiben, Augenblicke sammeln?
Sizilien und sich selbst entdecken und die Geschichte von der Meeresfrau, der Granita und vom Westwind hören … sich selbst erkunden,
Dem bisherigen LEBEN EINE AUSZEIT GEBEN, ein Aufatmen, Leichtigkeit erleben.
Kraft tanken und Öffnung finden!
Kommen Sie einfach mit – die nächste Schreiberkundung wartet schon vom 19.-26.10.2019
Das ist ein Auszug aus meinem Hörbuch “ÜBERMUT TUT GUT! – Unterwegs in den Süden”, Reisetagebuch 2011-2017. Ich erzähle, wie ich “ein Kreuz ablege”, den Ort am Ätna verlasse, den ich sehr liebte und noch immer liebe, auch einen Menschen lasse, den ich mochte und noch mag. Es hat mich zuletzt beschwert und mir nicht mehr gutgetan. Das war ein Prozess von ungefähr einem Jahr. Ein Bewusstwerden, ein Gehen durch den Schmerz, denn er gehört dazu wie auch die Trauer, der Abschied.
Und dann auch das: Mit Klarheit und ohne faule Kompromisse, ja, mit Schwung gehen!
Auferstehung geschieht immer wieder neu im großen Leben, auch in meinem “Kleinen”!
Meine Erfahrungen zeigen mir, dass Auferstehung immer wieder neu geschehen darf. Ich darf es mir erlauben, aus dem Leiden, aus dem Schmerz, aus der Tiefe … heraufzukommen. Ja, ich darf und muss es tun! Das ist meine Lebendigkeit – Wandel im Innen, der bei mir sehr viel auch mit Bewegung im Außen zu tun hat – das ist
Chateau de Muzot – das klang mir immer schön im Ohr. Nach dieser so friedlichen Begegnung am Grab wollte ich nun spüren, wo Rilke seine letzten Jahre von 1921-1926 verbracht hatte. Der Weg von Raron nach Muzot. Nur eine Station mit der Bahn. Aussteigen in Sierre / Siders. Dort gibt es die “Fondazione Rilke” und ein Museum. Mich interessiert das Steinhaus, der Turm, wo er wohnte bis zum Dezember 1926. Zeitweise mit seiner Freundin Baladine Klossowska und deren Söhnen.
Ich gehe die Straße nach oben in Richtung Veyras.
Die junge Frau im Touristenbüro sagt, dass es ein Fußweg von ca. 30 Minuten ist, es ginge auch ein Bus. Das Grundstück sei privé. Ich möchte nur die Atmosphäre wahrnehmen. Ich fühle ja selbst schon lange, wie Landschaften den Schöpfergeist beeinflussen. Dieses Ineinandergehen von Schöpfung!
Also gehe ich immer die Hauptstraße nach oben. Um mich herum zur Rechten unglaublich schöne Berge!
Die Walliser Alpen!
Im Licht reiht sich einer nach dem anderen auf und immer scheint noch ein höherer mit Schnee bedeckt aus dem Hintergrund hervor. Diese Berge strömen Weite aus und sie haben irgendwie eine magische Anziehung. Zu meiner Linken Weinberge über Weinberge. Wo bin ich nur? Im Wallis, wo kleine alte Häuser stehen mit kleinen Fenstern und viel Holzfassaden und neue moderne Häuser auch. Es ist schon südlich hier – ein bisschen “Piazzagefühl” kommt in mir auf. Ich laufe froh weiter und frage nochmal Bauarbeiter. Gebaut wird viel. Sie kommen aus Mazedonien und sprechen französisch. Mein Italienisch hilft etwas. Also immer hinauf. Links um die Kurve. Dort kommt mir eine charmante Frau entgegen, die ich nochmals nach dem Chateau Muzot frage. Sie spricht auch etwas deutsch und sagt, dass es nach dem Kreisverkehr gleich nach rechts gehe und ich sei dann da. Doch es sei eben privat – privé.
Kommen Sie doch mit in den Garten!
Ich sehe den Steinturm. Wie ein Quader. Ein altes Steinhaus mit einem Holz-Balkon. Ich kenne es von den Fotos. Rilke und seine Geliebte auf dem Balkon in meiner Fantasie.
Heute ist der Balkon leer. Auf dem Weg darunter sind Tafeln aufgestellt und informieren über den Dichter. Ich gehe zum Tor und da steht, wie erwartet, das Schild privé. Ich sehe Bäume in Blüte und einen schönen Garten. Setze mich auf die Wiese hinter dem Haus und genieße den Blick … Kämme mich, trinke Wasser und freue mich. Mache ein Selfi aus lauter Lust – es geht mir so richtig gut hier. Plötzlich Geräusche hinter mir. Da kommt ein Mann und bringt Gartenabfälle. Schaut mich freundlich an und fragt etwas, wiederum französisch … – ich spreche italienisch und wir verstehen uns. Ich erzähle, warum ich da bin und da sagt er:
Komme doch einfach mit in den Garten, da kannst du alles besser sehen!
Voilà, das Leben beschenkt mich wieder!
Wir schlüpfen durch eine kleine Seitengartenpforte ohne das Schild prive.
Wie gut, dass ich mich vorher gekämmt habe! Nun stehe ich unter dem Rilke-Balkon.
Miguel ist der Gärtner. Vielleicht in meinem Alter? Doch seit ich über 50 Jahre bin, kann ich das nicht mehr recht einschätzen … – Er ist ein überaus charmanter und liebenswürdiger Mensch, der mich einfach spazieren lässt und seine Arbeit weitermacht.
Ich stelle meine Sachen ab und gehe in jeden Winkel des Gartens. Da gibt es diese bemooste Bank in einem Winkel – da saß sehr lange niemand. Dann der Ginkgo-Baum, 100 Jahre alt …
“Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen … doch probieren will ich ihn …!”
Miguel kommt zu mir. Wir schauen beide in die Berge und ich frage, wie hoch die sind.
Über 4000 m! Mindestens 3.500 – ich staune weiter. Majestäten, so nehme ich sie wahr. Wie schon in Raron, wo einer der Berge ein Bärengesicht hatte. Miguel erzählt mir auch, wem das Anwesen heute gehört: Reinhart von Winterthur. Und dazu gehören auch all die Weinhänge und viel des umliegenden Landes. Die Familie komme wenige Zeit im Jahr, manchmal kämen Freunde. Der sehr sympathische und interessierte Miguel fragt mich noch, wo ich die Nacht schlafe … – ich lächle und sage ihm, dass ich wieder zurückfahre … – vielleicht sollte ich spontaner sein? Der Gedanke amüsiert mich …
Wir verabschieden uns mit “tutte cose belle” – jaja!
Ich gehe wieder durch das kleine Gartentor hinaus. Er winkt nochmal und gießt weiter. Gegenüber ist die kleine Kapelle St. Agnes.
Rilke soll sie einmal finanziell unterstützt haben. Oder einer seiner Mäzene. Auch das muss man erstmal können, sich so durchs Leben bringen, ohne Furcht und Skrupel, denke ich und sehe den Dichter noch einmal vor mir auf dem Balkon. Chapeau, chapeau!
Ich gehe langsam die Straße nach unten.
Sehe, wie gegenüber auf den Serpentinen Autos den Weg nach oben finden. Im Winter muss das gefährlich sein. Doch jetzt ist Frühling – es ist südlich warm und überall wird der Wein gepflegt. Trocken muss es hier sein, so mit diesen vielen Bergen. Vor mir spaziert ein älterer Herr mit Stock. Ein Bonjour, das ich erwidere. Flanieren, das geht mir nach – ich bin eine “Flaneuse” oder auf dem Weg dahin!
Ich werde wiederkommen und sicher nicht alleine! Und ich werde nun endlich französisch lernen – mit dem Italienisch im Gepäck geht es leichter!
Wieder hat sich etwas Neues aufgetan. Nur Mut. Ja, man weiß, wohin man gehen soll, im Innen und Außen, indem man geht!
Ostersamstag, den 20.4.19, Tribsche Terrasse – Richard-Wagner-Museum Luzern
Ich gehe aus dem Tribschen Haus auf der Höhe über dem Vierwaldstetter See in Luzern.
Im Hof und Garten ein Ausflugscafé. Einfache Holztische. Holzstühle mit originellen runden Kissen. Ich sitze auf einer Limone. Kleine Kiesel unter den Fußen. Man hört alle Schritte. Die Bedienung ist freundlich, jung und unkompliziert. Über uns hellgrün blühende Bäume und die Pracht der Magnolien – der leichte Wind bläst die Magnolienblätter herab.
Das Schwyzerdütsch gleitet an meinen Ohren vorbei.
Mir gegenüber ein älteres Ehepaar mit einem Eis. Ich verstehe „genau“ nur „nein“ und mehr nicht. Am Nebentisch ein junges Paar mit einem Baby. Der Papa hat es liebevoll in einem Brusttuch auf seinem nackten behaarten Oberkörper. Ich muss immer wieder hinschauen. Es berührt mich. Vorhin wurde mir auch klar, wie gut es ist, die kleinen Menschenkinder so mit sich zu tragen. Sie sind ja die Bewegung und menschliche Wärme gewohnt von ihrer Zeit im Bauch. Wusste ich das, als ich meinen 1. Sohn mit 27 Jahren bekam? Doch Wissen und Tun sind nicht immer deckungsgleich. Es gibt noch den Instinkt und die Intuition.
In mir wogen noch die Eindrücke des Museums – Richard Wagner gewidmet, der hier in der Tribschen Villa von 1866-1872 wohnte.
Wagner ist mir bis heute fremd. Manchmal fühlte ich den Bann dieser gewaltigen Zyklen und gerade weil sie so gewaltig für mich waren, konnte ich nicht hinein. Ich blieb eher abgeschreckt oder erschreckt davor. Vielleicht fehlt mir einfach der Zugang zu seiner Genialität. Denn genial muss er gewesen sein für solche Musik.
Nun ging ich durch die Räume. Viel Wille und viel Größe und viel Musik und auch Zartheit, wenn ich List anschaute und die Darstellung der Brünhild aus der “Wallküre” – solch eine Enttäuschung im Gesicht.
In der Sonderausstellung zu Siegfried Wagner dann die aufgereihte Ahnenreihe – da gehe ich hinaus.
Dynastien, welcher Art auch immer, sind nichts für mich. Dafür habe ich keine Anlage. Noch nicht einmal für kleinere Familiendynastien. Nie hat mich mein Stammbaum interessiert. Vielleicht ein Mangel. Ich habe kein Standesbewusstsein. Hat das etwas mit Selbstbewusstsein zu tun? Neiin, für mich nicht. Mir mangelt nichts bis heute. Wie ich hier sitze in der Natur als Schreibende bin ich schon ahnungsvoll.
Immer wieder scheint mir bei solchen Überanstrengungen hervor, wie schnell eine Überhöhung zu Machtwillen deformiert und dann möglicherweise zu Druck, Zwang, Abwertung, gar Gewalt.
Wagner als Nationalheld – „Der Ring der Nibelungen“ als Nationalmythos. Die Nähe Siegfrieds und seiner Frau zu Hitler. Woher kommt das alles, dieses größenwahnsinnige Beladensein?
Das „Darstellenwollen“ und das „Darstellenmüssen“.
Die Villa „Wahnfried“, der Nationalismus, der Anti-Semitismus, der Anti-Feminsimus. Die Überhöhung der Mutter, der göttlichen Liebe als Mythos, der Nibelungentreue.
Ludwig der II. fühlte sich als Regent genau davon gerufen. Mäzenatentum.
Als ich im ehemaligen Kinderzimmer von Siegfried stehe, da erschrecke ich doch. Dunkel muss es hier gewesen sein für den endlich männlichen Nachfolger. Ein traurig-zusammengekniffenes, fast abwesendes Gesicht sehe ich neben dem stolzen Vater.
Siegfried lebte als hochbegabter Mensch das Künstlertum und die Homosexualität und seine Rolle als Erbfolger auch. 1930 bewahrt ihn der Herzinfarkt vor dem Machtantritt der Nationalsozialisten? Was wäre aus ihm als Homosexueller geworden? So viel Ambivalentes. Fassade und Essenz.
Die „Siegfried-Idylle“ erreicht mich beim Hören in ihrer Zartheit. Da fühle ich verspielte Liebe.
Dann hinaus aus dem irgendwie machtvoll engen Haus.
In die Weite des Gartens, der Wiesen. So blau ist der Osterhimmel und so viele Osterspaziergänger schmücken die grüne Landschaft mit dem See.
Die junge Kellnerin meint, dass ich höchstens drei Wochen brauche zum Schyzerdütsch und dann hab ich es kapiert. Ich bin nur eine Woche hier und werde immer wieder fragen: Wie bitte?
Unten das Tönen des Dampfschiffs, das gerade ablegt.
Gestern, am späten Vormittag des 17. April 2019, kam ich mit meinem Begleiter aus Luzern in Raron im Wallis an. Lange hatte sich dieser Besuch im Innern in mir vorbereitet. Nun ging ich endlich auch im Außen auf die Reise zur letzten Heimat des Dichters.
Die Fahrt nach Raron
Früh mit der SBB in Luzern los. Ich fahre durch die Schweiz. Draußen fliegt nasses Frühlingsgrün vorbei. Stromleitungen, Industriebauten auch hier. Ein Tunnel. Kühe, denen die Knochen fast aus der Haut treten. Nochmal Tunnel … Mein Kopf saust. Jetzt Felder mit Stoppeln und rotbrauner Erde. Weidenkätzchen und weiße Blüten. Vielleicht Kirschen. Ein Silo. Ich rolle. Draußen ein Mann mit Hund. Ich lege den Kopf an die Scheibe und für ein kleines Weilchen auch in meiner Erinnerung auf die ruhige Brust meines Geliebten … auch ein Kraftort.
Fallenlassen alle Wertungen – einfach fahren. Gegenwärtig. Ich schreibe Haikus
Weites grünes Land weiße Spitzen huschen und Hunde hüpfen froh
Um zu erfahren, wohin du gehen sollst, musst du gehen, sagte jemand. Ja, so ist das für mich.
In Bern umgestiegen und ab da gestaunt, ja gewundert …
über die Berge, das Grün. Berner Oberland. Dann in Thun. Erinnerungen. Da war ich schon einmal mit meinem jüngeren Sohn und mit Freunden vorbei gefahren. Wir waren im Ski-Urlaub in Saas da Grund. Wann war das? 2001? Eine glänzende Erinnerung steigt aus dem Schatzkästlein meines Lebens in mir hoch. Wieder sehe ich die silbern glänzende Landschaft um uns herum. Fast entrückt kam sie mir vor. Märchenhaft transzendent. Ich sagte damals zu Max den Satz:
“Hier müssten wir aussteigen und bleiben.”
Und er:
“Warum machen wir es nicht?”
Das war eine sehr weise Frage. Damals habe ich wohl geantwortet:
“Wir müssen nach Hause, du hast Schule und ich muss arbeiten. Der Urlaub ist zu Ende.”
Oder sagte ich gar nichts und wir verstanden uns auch so? Heute, was würde ich heute tun, wenn damals heute wäre? Spekulation. Vermutlich gingen wir beide aus dem Zug und schauten uns um …
Wie schön, dieses poetisches Schatzkästlein meiner Lebensreise, das sich heute weiter füllen wird mit liebevollen Augenblicken, mit Weite und Feinheit und Tiefe. Mit Natürlichkeit und unglaublichem Frieden.
In Bern setzt sich eine Frau zu mir.
Leider kann ich sie kaum verstehen. Berner Dialekt. Sie lächelt etwas über mein Staunen und freut sich irgendwie mit. Die Aare fliegt vorbei. Überall Flüsse.
Sie erzählt, dass sie sieben Jahre im Wallis gearbeitet hat und mindestens einmal im Monat zurückkehren muss. “Das Wallis hat fast immer Sonne”, so sagt Olga. Sie liebt diese Landschaft. Wir verstehen uns irgendwie sofort. Wieder eine solche Augenblicks-Begegnung. Dann erzählt sie von der Alm, sie ist Almerin von Juni bis September. Harte Arbeit, die sie noch zwei Jahre machen wird. Dann pensioniert. 34 Kühe und 1 Stier. 7 Ziegen, vor allem zur Freude der Familien mit Kindern. Schafe und Käse und zwei junge Helfer. Sie wirkt rundlich, fast ohne Falten und ganz froh und zufrieden. Tut gut diese Frau.. Wir fahren an Spiez vorbei bis Visp. Sind schon im Rhonetal.
Dort steigen wir um und es geht genau eine Station zum Rilke-Ort Raron. Dort ist hoch oben sein Grab.
Angekommen in Raron
Ich stehe auf dem Perron. Hinter mir rollt es. Ich drehe mich um und mich durchfährt ein Riesenschreck: Lauter Panzer rollen durch diesen kleinen Ort, Richtung Süd. Panzer mit Tarnnetzen überzogen. Das will nicht in mein Bild passen! Und ist doch da. Diese Parallelität des Lebens. Ich sage es laut: “Panzer! Hier!” Mein Begleiter sagt, wohl witzig gemeint: “Mit den Deutschen kommen gleich die Panzer.” Ich schweige, versuche, es durch mich hindurchlaufen zu lassen. Für einen Moment denke ich: “Heini.” Dann lasse ich es sein mit dem Werten … – hat alles seinen Sinn, das glaube ich. Als Rilke 1921 ins Wallis kam, hatte er den 1. Weltkrieg erlebt. Alle diese Schrecken und Demütigungen. Hier suchte er Frieden und erlebte erneut Schöpferkraft. Vollendete die “Duineser Elegien” und die “Gedichte an Orpheus”. Hier, an der alten Kirche von Raron, hat er zuerst das Licht und den Wind der Walliesischen Landschaft erlebt. Hier möchte er begraben sein. Was dann am 2. Januar 1927 bei eisiger Kälte geschieht. Am 28.12.1926 starb er.
Ich gehe nun gegen 11 Uhr über die Brücke der Rhone. Eingebettet im Tal zwischen wundervollen Bergen auf der einen Seite und dem Dorf mit den steinigen Hängen auf der anderen. Beim Bäcker einen Cappuccino und eine Schnecke. Ehe ich den Mund aufmachen kann, hat die junge Frau schon einen Haufen Kakao auf den Kaffee gekippt. Ich mag das nicht! Nehme die Tasse trotzdem und sage draußen in der Sonne: “Ich mag das nicht! Ich habe doch Cappuccino und nicht Schokolade bestellt!” Mein lieber Begleiter protestiert sofort und klärt mich auf: “In der Schweiz ist das eben so. Du bist in der Schweiz, in einem anderen Land!” … und so zeigt sich wieder einmal, wie schnell man ins Missverstehen kommen kann … Ich mag doch auf der ganzen Welt keinen Cappuccino mit Kakao!
Nun den Berg hinauf zu Rilkes Grab
Ich spüre bei jedem Schritt, dass es wunderbare Augenblicke sind – der rechte Moment, wie man so schön sagt: Frühlingserwachen mit so viel Himmel und Weite – dieses poetische Leuchten des ewigen Lebens! Mein Inneres verbindet sich mit der landschaft, die Gedanken gehen. Und ja, ich gehe alleine, habe meinem Begleiter gebten, dass wir getrennt gehen. Ich brauche diese Muße für mich. Seit zwei Jahren lese ich noch einmal intensiv den Dichter und er wird mir mit seinen Worten Begleiter. Dieses ” es geht darum, alles zu leben …” – er hat über den Wandel geschrieben, er hat ihn tief erfahren, den so ungewissen künstlerischen Weg. Und er hat sich auch immer wieder gerettet, indem er zu sich selbst hielt.
Und dann komme ich oben an einen Kraftplatz; Besser: an einen Friedensort. Noch jetzt, beim Schreiben, strömt es in mir. Unbeschreibbarer Frieden.
Als dann noch ein Gleitschirm über mir schwebt in dieser Landschaft, da durfte ich den Weltinnenraum (Rilke) noch einmal spüren:
Wo nach Rilkes Auffassung das Selbst wie ein Vogel zwischen Himmel und Seele fliegt.
Ich wünsche allen Frohe Ostern mit einem bunten poetischen Osterspaziergang und einer Auferstehung – immer wieder!
Ein besonderer Leseabend endete für mich am 4.4.19 um 22 Uhr in der Bremer Neustadt in der Buchhandlung Buntentor .
Die ehemalige Drogerie, die durch Sven Odens und sein Team seit zwei Jahren ein frischer Buchraum geworden ist, war gut gefüllt zur Frühlingslesung “Übermut tut gut!”. Wein, Bier und Wasser standen auch bereit und ich freute mich auf die Begegnungen mit den Menschen. Ernste Gesichter kamen herein, wie meist.
Was mag so ein Zuhörer denken? Vielleicht: Was erwartet mich da?
Ich schaue die Menschen an, die vor mir sitzen. Eine Frau sieht sehr traurig aus. Eine andere eher resigniert. Wieder eine andere sehr gefasst. Dazwischen ein älterer Herr mit lebendigen Augen. Sie lachen mich an. Die Distanz ist mit dem 1. Gedicht überwunden, das ich auf dem Fußweg zur Lesung geschrieben:
Silbergrauer Abend Zwitschernd kühle Luft In den knospenden Zweigen träumt schon der Frühlingsduft.
Poesie ist Magie! Wie auch die Reisebeschreibungen in meinem Hörbuch: Authentisch und pur.
Unter dem freien Himmel in mir
So heißt es an einer Stelle meines Reisetagebuchs und Hörbuchs. Ich gebe dieses Sprachbild in die Runde. “Totale Öffnung”, so sagt der Herr mit den lachenden Augen und breitet die Arme aus. “Aufatmen”, so traut sich eine fein gekleidete Dame. Ja, davon erzählt mein Buch – vom Weg in die Freiheit, in den Augenblick des Atmens, des Seins. Von den Urelementen des Lebendigen!
Ich bin sonst ein nüchterner Mensch
sagt eine Frau mit schöner Haartracht am Ende der Lesung – eher des Vortrags, der performance. Denn ich spreche frei, binde Gedichte und Hörbuchauszüge ein, Stille und Atem und auch die Zuhörerinnen. So verlebendigen sich die Ereignisse noch einmal. “Ich bin sonst ein so nüchterner Mensch, doch mir kamen bei Ihrer Lesung die Tränen. Das ist sehr besonders für mich.” Ich danke der Frau, dass sie darüber spricht. Von sich erzählt. Wir reden von äußeren und inneren Bewegungen. Vom Wachsen. Eine Frau spricht von ihrer Tochter, die bei Catania lebt. Für sie war der Abend eine Wiederbegegnung mit der wundervoll kraftvollen und lichten Insel.
Eine andere stimmt ein. Und so kommen wir ins Gespräch über unsere Leben, unsere Erfahrungen und unsere Gefühle.
Wie schön ist es sich zu fühlen?!
Berührung, nenne ich es. Berührung mit dem Herzen. Die Kruste fällt ab. Der Zensor, der uns auf unsere ratio reduziert. Die soll ja auch nicht abgeschafft werden. Verstand und Herz gehen Hand in Hand. Geist, Körper und Seele vereinen sich. Doch mir scheint, dass die Krusten über den Herzen fest sind. Schutz, Angst, Notwendigkeit? Ungewöhnlich ist es wohl oft sich vom Gefühl her als Mensch zu offenbaren. Doch da fragt mich der ältere Herr mit den lachenden Augen:
Darf ich Sie umarmen?
Die Frage kenne ich nur aus Italien. Da heißt es “Posso baciare?” – Darf ich küssen?
Dieser Mann umarmt mich fest und herzlich. Er teilt seine Gedanken:
“Es ist gut, dass Sie uns Ihre Erfahrungen erzählen und uns ermutigen, Übermut zu haben. Ich las den Titel und wusste, dass ich komme. Wie kenne ich die Umkehr: Übermut tut selten gut! Wissen Sie, ich bin so ein Hanseat, so gefasst. Vielleicht schaffe ich es nicht mehr, doch dieser Abend hat mir gutgetan.”
Und Herr K. gibt mir auch noch einen Kuss auf die rechte Wange. Ich erzähle ihm vom italienischen Brauch mit den beiden Küssen. Er sagt: “Nein, das kenne ich nicht.” Ja, klar, das ist zu viel des Guten!
Wie funktioniert solch eine Schreib-Reise mit Ihnen?
Das wollen einige wissen. Ich erzähle vom schreibenden Unterwegssein, von der Vielfalt des Entdeckens:
Und manchmal braucht es einfach den MUT, etwas Neues zu beginnen – es gibt immer den berühmten 1. Schritt! Eine AUSZEIT. Damit fing es bei mir genau vor 8 Jahren an! Da landete ich am 5.4.11 52-Jährig in Catania und etwas ganz Offenes, Ungewisses, Abenteuerliches, Unsicheres, Wunder-volles, Gewandeltes … nahm seinen Lauf!
ÜBERMUT TUG GUT! – WANDLUNG WAGEN!
Ich kann es gar nicht genug sagen. Denn dann wirken die Kräfte der Liebe, der Schöpfung!
Und an diesem besonderen Begegnungsabend in der Buchhandlung “Buntentor” in Bremen, da passiert auch noch etwas Einzigartiges. Das Leben zeigt allen, wie gut es ist, Mut zur Veränderung zu haben. Sich ein Herz zu fassen. Dass es einem hilft, das Leben, wenn wir auf dem Pfad der Liebe sind, des Wachsens.
Unter den Gästen ist die sizilianische Hündin Neringa
Sie kam mit ihrer Familie, die um die Ecke in der Möckernstraße wohnt. Ich begrüße Sie berührt und von Herzen. Wir haben eine gemeinsame Geschichte. Neringa lief mir am 4.12.16 in den Ätnawiesen auf 1.500 m Höhe hinterher. Sie war winzig klein. Kaum 2 Monate. Ich nahm sie an, obwohl ich in diesem Augenblick gar nicht wusste, wie ich das machen sollte! Das Leben und liebe Menschen halfen mir. Über 2 Jahre hinweg. Wir lebten lange zusammen und dann reisten wir gemeinsam mit Schiff und Bahn von Punta Secca an der Südküste Siziliens in Etappen bis nach Bremen! Diese besondere Reise wird immer in meinem Lebensgepäck sein wie auch diese Wiederbegegnung. Denn im November 2018 spürte ich, dass es so nicht mehr geht: nicht für sie und nicht für mich. Und ich bat um Hilfe, schickte meinen Wunsch in den Himmel … – und uns wurde geholfen. Natürlich tat ich etwas dafür, doch wesentlich war der innere liebevolle Entschluss und Wunsch, Veränderung zuzulassen und in Liebe loszulassen!
Liebe wirkt in allem – öffnen wir ihr unsere Herzen!
Was führt meine Hand Spuren wie feinkörniger Sand Schreibt es sich ein Aus dem Leben ins Leben hinein