Der Ätna ist eine Zauberin!
Eine Reise in einen besonderen Park
Der Ätnapark. UNESCO-Weltnaturerbe seit dem 21. Juni 2013. Diese archaische Kulturlandschaft mit 59000 Hektar Land bietet von Feuerschlünden auf dem Gipfel des höchsten aktivsten Vulkans Europas über erkaltete Krater, Lavaströme, Grotten und fruchtbarste Erde mit Wein, Obst, Mandeln, Wäldern, Pistazien, Blumen und freundlichen Ätnadörfern eine besondere Anziehung!
Wo anfangen und wo aufhören, als Tourist im großen Ätnapark, dem ganzen Gebiet um den größten aktivsten Vulkan Europas herum?
Ganz einfach. Man fliege nach Catania / Sizilien. Miete sich ein Auto. Fahre hinein in die schwarze Schönheit unter dem Vulkan. So nennt man Catania auch. Man stelle sich einmal auf den Domplatz, wo der lustige Elefantenobelisk inmitten von Barock grüßt. Von dort sieht man „la muntagna“, so nennen die Sizilianer ihren großen Hausberg Ätna. Im Italienischen ist der Vulkan eben eine feurige Dame! Der Besucher auf dem Domplatz steht genau dort, wo 1669 die Lava floss. Noch Goethe schrieb am 4. Mai 1787: „Wir fuhren die Straßen hinaufwärts, wo die Lava, welche 1669 einen große Teil dieser Stadt zerstörte, noch bis auf unsere Tage sichtbar blieb. Der starre Feuerstrom ward bearbeitet wie ein anderer Fels, selbst auf ihm waren Straßen vorgezeichnet und teilweise gebaut …“
Jetzt erwartet den Fremden ein schöner Boulevard, die Via Etnea. Also hinauf in den Ätnapark! Vier Hauptkrater hat der Vulkan und 400 Nebenkrater, die bis auf 700 m herabgehen. Heute zeigen sich die Ätnadörfer, die zum Gebiet des Parks gehören, mit schönen Piazzen, Bars, kleinen Geschäften, Märkten, alten Lavasteinhäusern und sehr gastfreundlichen Menschen, die auf dieser harten und fruchtbaren Erde in ihrer natürlichen Schönheit mit Pinien, Feigen, Oliven, Zitronen, mit Mandeln, Maroni, Wein, Granatäpfeln … leben. Von Nicolosi im Süden des Gebietes, über Brontè im Westen, wo die Pistazien wachsen, Randazzo, Linguaglossa im Norden, wo die Reben des Etna DOC wachsen bis hin nach Milo und Zafferana im Osten, wo auch der Honig fließt. Der Parco dell’Etna mit seinen 59.000 ha ist seit 1987 regionales Naturschutzgebiet und seit dem 21. Juni 2013 UNESCO-Weltnaturerbe. Und er hat es wahrlich verdient!
Man ist gut beraten mit der alten Reiseroute nach Nicolosi zu beginnen.
Goethe und Co taten das zu Fuß und mit Maultieren. So besteige man die Vulkanhügel der Monti Rossi, von denen 1669 aus nur 750 m Höhe die Lavamassen drei Monate lang flossen bis Katanien. Man erkunde die Wälder von Nicolosi mit der Verwaltung des Parks im ehemaligen Kloster der Benediktiner. Streife durch die umliegenden Lavamassen und gehe hinein in die schon wieder bewachsene Contrada Monte Arso. Die Augen gehen einem über vor Fülle. Alle Herbstfarben leuchten derzeit auf den fruchtbaren Ätnawiesen! Äpfel und Birnen, Kastanien, Nüsse. Schafe und Ziegen auf altem Hirtenland. Dort, wo die Lava vor 1600 floss, ist sehr fruchtbares Kulturland und man findet sogar alte Lavasteinhäuser aus dem 7./8. Jahrhundert. Gebaut ohne Mörtel und noch heute dringt kein Regentropfen ein. Die Ätnaubauern haben diese so harte Erde beharrlich immer wieder bearbeitet. Es war das einzige Gebiet auf ganz Sizilien, wo der Bauer jemals Besitzer war. Baron von Riedesel notierte 1771: „Mitten in diesen Strömen von erkalteter Lava, welche zuweilen höher als die höchsten Häuser sind, ist das fruchtbarste und reizendestgebaute Land. … der Wein, die Früchte, die Gartengewächse sind alle von ungewöhnlicher Grösse, Güte und Überfluss …“
Auf stillen Spaziergängen begegnet man auch heute noch Ätnabauern wie Carmelo Longo, einem 80-Jährigen aus Ragalna.
Er schaut nach seinem Grundstück, verlassen wie viele seit 30 Jahren. Erntet Äpfel und Birnen. Die Natur schenkt ihren großen Reichtum. Weiter geht’s hinauf auf 1.900 m Höhe, wo das „Rifugio Sapienza“ mit einer eindrucksvollen Kraterlandschaft wartet. Von dort schaut man hinab bis zum Meer. Schönheit pur! Und dann sollte der Besucher in den Giardino Botanico, wo ihn Lavagestalten anschauen und Ginster blüht bis in den November. Und nicht nur mit dem Auto kommt man voran, sondern auch auf Schusters Rappen! Petra Dorau, seit 25 Jahren auf Sizilien, ist mit ihren Pferden eine kundige Reisebegleiterin (www.equitazionesoledelletna.it). Langsam wächst ein naturnaher Tourismus an den Ätnahängen. Kleine B&Bs, Mountainbiking, Klettern, diverse Wanderwege und Trekking-Strecken mit Rifugios. Wer es ruhig mag, setze sich einfach in die Lavamassen und lasse die Seele baumeln.
Und fragt man nach dem Weiter? Ich empfehle die „Circumetnea“, eine lustige kleine Bahn, die seit 1895 ab Catania Borgo über Misterbianco … Bronte … Randazzo … Riposto um den ganzen Ätna rattert. Man kann in Bronte rasten, wo die Pistazien wachsen und man das Pistazienfest feiert. Gefeiert wird überhaupt viel in den Ätnadörfern: Man heiligt die Trauben, den Honig, Feigen, Oliven, Orangen … Im Herbst steigt der Rauch aus den Kastanienröstöfchen – „caliaturi“ im Sizilanischen genannt.
Für Weinliebhaber gibt es zu den Maroni an der Strada del Vino dell’Etna einen vorzüglichen Etna DOC zu kosten. In Randazzo oder Linguaglossa. Dort ist auch ein Winterurlaub angesagt, im famosen Winter-Skigebiet am Ätna Nord mit Blick auf’s Meer!
Zu allen Jahreszeiten lohnt es, bei der “Zauberin” mit den vielen Gesichtern einzukehren!
Veröffentlicht am 30.4.2016 im “Freien Wort” Thüringen- Sonntagsreportagen