Meine Lebensreise – Gestaltwerdung

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Nähe

Im warmen Lächeln meiner Haut
atmet der Duft der Liebe.

Ich mag das Lebendige.
Ich mag die Menschen, die Tiere, den Wind, die Sonne auf der Haut, das fließende Wasser eines Flusses, spielende Kinder, das Tanzen, Fahrradfahren, Wandern, Drehen, Schaukeln, das Schwimmen im Meer, auf Brücken zu stehen. Seifenblasen und bunte Luftballons.
Ich liebe die Menschen. Und sie bleiben mir auch Geheimnis. Schon von Kindesbeinen an. Aufgewachsen in einer Familie als Kriegsenkelin mit drei Generationen in einem thüringischen Dorf  interessierte mich von Beginn an, was einen Menschen ausmacht. Intuitiv. Ich beobachtete sehr viel. Wie jemand ist und wie sich Leben gestaltet und wandelt. Leid, Trauer und Freude lagen sehr dicht beieinander. Zwei Kriege und Nachkriegszeit waren bei meinen Großeltern und auch bei meinen Eltern – Kriegskinder – sehr präsent. Ich sehe meine Großeltern, die alte ernste Tante, meine Eltern, die wunderschöne Hündin Blanka. Ich sehe den Famberg. Sehe mich Rad fahren, schwimmen, tanzen … sehe eine Kettenkarussell. Sehe mich schreiben. Schon mit acht Jahren schrieb ich Gedichte und Tagebuch. Die Poesie war immer Teil meines Daseins. Leichtigkeit lag schon immer in mir. Beweglichkeit. Offenheit …
Dreh dich, dreh dich, dreh dich schnell, bring mich hin zum Karussell …

Woher es kommt, das Leben, wie es ist, wohin es geht. Ich erlebte als junges Mädchen noch die Aufbahrung meiner Großeltern. Da kam auch noch die Totenfrau.

Ich empfand schon früh unbewusst die Spiritualität des Lebens, meine Verbundenheit mit dem Kosmischen: mit Wald und Erde, mit Himmel und Wasser, mit Christkind und Engeln, mit den Schafen und Hunden … Das Landleben, die Felder und Gärten eröffneten mir den Blick darauf. Heiliges und Profanes, Alltägliches lagen schon beieinander. Das Natürliche war mir unbewusst ein Kraft- und Heilort. Und inspirierte mich. Wie gerne fuhr ich mit dem Rad ins Freie!

Ich lernte, ich studierte Germanistik und Slawistik, ich wurde 1992 promovierte Literaturwissenschaftlerin und Biografieforscherin, lehrte und forschte als wissenschaftliche Assistentin 18 Jahre an den Universitäten Magdeburg und Halle. Hatte Lehraufträge an anderen Orten. Neue deutsche Literatur, Literaturwissenschaften, Biografieforschung, vor allem Frauenforschung und Transformationsprozesse waren meine Felder. Ich leitete eigenständige Wissenschaftsprojekte. Reiste. Publizierte.(LINK) Arbeitete interdisziplinär in literaturwissenschaftlicher und soziologischer qualitativer Biografieforschung. Interdisziplinäres, Vernetzendes lag mir schon immer am Herzen.
Die Verbindung von Wissenschaft, Kunst und Alltag interessierte und forderte mich. Ich gründete in dieser Zeit eine Familie, schenkte zwei Söhnen 1986 und 1990 das Leben. Auch diese Familie wandelte sich. Ich erlebte die Auflösung der DDR, die damit verbundenen Transformationen. Lehrte und schrieb dazu. Hielt viele Vorträge. Ost und West begegneten sich.

Erinnern, Erzählen, Wandeln wurden mir zu Lebensthemen.
Ich tauchte tief ein in Biografien von Schriftstellerinnen wie Sigrid Damm und Irina Liebmann, Christa Wolf, von Wissenschaftlerinnen, Landfrauen …  *(Link)
*In über zwanzig Jahren als Biografieforscherin in wissenschaftlichen Kontexten und in der reinen biografischen Arbeit in der Erwachsenenbildung, in Schreib- und Literaturkursen, in Erzählcafés, in Mehrgenerationenprojekten (Link zu Projekten und Büchern) richtete ich den Fokus auf die Lebensreise eines Menschen.

Wenn ich im Jahre 2019 60 Jahre werde, habe ich genau so viel Zeit im Gesamtdeutschen wie im DDR-Ostdeutschen gelebt. Und natürlich weit mehr – wie viel Offenheit und Aufbruch ist in mein Leben gekommen.
Viel Bewegung im innen und außen. Immer hatte ich einen großen Forscherdrang, in die Tiefen des Lebens zu gelangen und meine Entdeckungen weiterzugeben. Immer war mir das Gegenüber wesentlich.
Es dauerte, bis ich zu meiner ganzen kreativen Entfaltung gelangte. Das Leben hat seine Berge und Täler, seine Engpässe. Seine Zwänge und Meilensteine. Es gab Blockaden. Das Leben stockte in mir bis hin zu tiefer Erschöpfung, Depression, Krisen. Die mir gegebene natürliche Lebensenergie ging mir mit Mitte 40 fast verloren. Doch ganz tief, da blieb etwas, da spürte ich meine kreative Urkraft. Meinen Urquell. Ja, es war ein leises Sprudeln. Und ich belebte ihn, ließ mich beleben. Sprudelte hervor. Ich ging, begleitet von lieben Menschen, hindurch durch diese Krise und durch starke Lebensveränderungen mit Mitte 40, mit Anfang 50. Die Zeit der Wechseljahre (Link zum Buch). Trennungen, Verluste, Trauer, Stille, Suche, Neubeginn. Aufbruch!
Immer war es ein Schritt nach vorne: ins Lichtere, Leichtere, ins Freie! Ich entschied mich bereits 2005 zur Freiberuflichkeit. “Literarisches Leben” nannte ich den 2007 gegründeten kulturellen Begegnungsraum. Ausbildungen in Poesietherapie und Schreiben als Heilmittel folgten. Schaue ich heute zurück, sehe ich, dass man Leben immer ganzheitlicher wurde. Dass ich spürbar wegkam von der reinen Ratio der Wissenschaften, hin zu wirklicher Lebendigkeit, meine hohe Sensibilität und mich selbst mehr achtend: in Geist, Körper und Seele. Ich begann 2008 mit Hatha-Yoga – es begleitet mich wie auch Ayurveda. Die natürlichen Rhythmen der Natur kehrten wieder in mein Leben ein: die Jahreszeiten, die Wechsel von sonne und Mond und Planeten, Astrologie begleitet mich. Ich erlebte Übergangsrituale wie indianische Schwitzhütten. Verbrachte Zeit in der Natur, an der Elbe, an der Ostsee … meine künstlerische Kraft wuchs im selben Moment. Ich hatte die Kraft, diese Prozesse zu beobachten, mir ins Bewusstsein zu heben, sie sogar als geübte Biografieforscherin zu analysieren. “Nebenbei” gab ich Russischunterricht an einer Waldorfschule, unterrichtete Migranten in Deutschkursen, leitete Lyrikprojekte mit Jugendlichen und Frauenforschungsprokete, gab viele Vorträge und Lesungen … probierte einfach aus.

Ich veröffentlichte 2010 mit 51 Jahren meinen 1. Gedichtband “an den rändern der tage” gemeinsam mit meiner Malerfreundin Verena Holzhauser. Ich las meine eigenen Texte. Arbeitete mit Musikern und Malern in vielfältigen Projekten zusammen (LINK).
Begann 2008 mit anderen Menschen kreativ und autobiografisch zu schreiben. Begleitete autobiografische Buchprojekte (LINK). Gestaltete erzählStimmen, autobiografische Hörbücher, gab viele Literaturkurse, ging mit Menschen auf poetische Spaziergänge im Rhythmus des Jahres in die Natur sowie auf poetische Reisen:
Wieder in die Natur – hinaus aus Bildungsräumen ins Freie, in den weiten Himmel in und über mir!

Denn tief im Innern war durch alle Überformungen und Bewegungen hindurch immer eine andere leise Stimme hörbar geblieben. Sie ließ Gedichte und Texte entstehen. Zaghaft und wild zugleich kamen die Worte aus mir heraus. Aus einem Urgrund. Manchmal hörte ich sie über Jahre nicht. Dann entschloss ich mich, mehr  zu dieser Stimme hinzugehen. Sie machte mich doch froh! Das war doch wesentlich!
Da war ein Quell. Es strömte aus mir heraus. Ich reiste auf diesen poetischen inneren Spuren.
Entdeckte so auf meiner Lebensreise nicht nur viele Orte von Kanada bis Norwegen, von Russland bis Israel, sondern immer mehr mich in meiner eigenen Wandlung:
Was ist mein Kern? Warum bin ich hier auf der Erde?

Und landete 2011 in diesem Wandlungsprozess wie durch Zauberhand auch auf Sizilien!

Kam zu Feuer, Wasser, fester Erde und viel Licht und Weite – Der Ätna wurde mein Ashram!
Stille und Kraft, Leichtigkeit und Weite, Bewusstheit und Intuition. Die Worte sprudelten aus mir heraus! (Link: wo die Worte mich besuchen) Noch einmal anders. Wo ich meiner Schwester, der Poesie, ganz die Hand reichte. Eine Wortesammlerin des Lebens – una raccogliatrice delle parole.
Heute weiß ich: Ich bin da zu Hause, wo mich die Worte besuchen. Wo meine Seele in Frieden ist.

Eine unglaubliche Kreativität erwachte in mir! Es ging in ein anderes Entdecken. Ich fotografiere, stelle aus. Manchmal sind Besucherinnen Spiegel des Lebensprozesses und sehen meine Entfaltung als  “Gesamtkunstwerk”: deine ausstellung hat eine geschichte erzählt. deine geschichte.
ich habe sie als reportage wahrgenommen.
als dokumentation eines lebensabschnitt’s, eines weges. sie erzählt vom fernen ort, von veränderung, häutung und werdung.
von einer frau die uns mutig, mittels ihrer bilder und texte, an diesem prozeß teilhaben läßt. die fülle, von der du sprichst und die stille begegnung mit dir selbst, ist das, was du dem betrachter mitteilst.
welch geschenk. im doppelten sinn. so habe ich deine arbeit wahrgenommen und gefühlt. (Birgit, Künstlerin)

Ich ließ es einfach endlich zu: Die Poesie ist meine Begabung! Und das ist ein Gesamtkunstwerk und nicht “nur ein Gedicht, ein Bild …”.
Mein Verleger in Catania, Mario Grasso schrieb im Nachwort zum Gedichtband “Wo das Licht wohnt / Dove abita la luce”:

Poesie des Lebens wuchs mir als Essenz des bisherigen Daseins zu. Trat als poetisches Bild hervor. (Link zu Ansatz)

Ich fühle mich als eine Lebenskünstlerin und Lebensreisebegleiterin im besten Sinne.

Eine Freundin schrieb mir gerade:

Liebste Poetessa,

wenn wir durch gestalten Gestalt annehmen, fließt es in unseren künstlerischen Prozeß und Ausdruck.
Du weißt, dass ich dich immer anschauen mußte, weil du dich für mich sichtbar verändert hast.

Ich bin berührt und ich bin dankbar für diese Wandlungen, diesen Weg zu Liebe und Verbundenheit . Ich danke von Herzen allen Menschen, denen ich begegnen durfte, die mir Impulse gegeben haben, die mich noch heute begleiten.

TON!

Heidrun Adriana Bomke, März 2017