Novembergedichte
Meine Novembergedichte laden ein, den eigenen inneren Raum zu betreten.
Leer wird es um uns.
Wir sind in der Zeit des stillen Wandels. Die Blätter, die so lange sich noch am Ast halten, fallen nun langsam wie müde goldene Herzen. Schweben ins Irdische hinab. Die Tage werden kühler und das Dunkel umfängt uns nachmittags immer früher. Ich mag diese unaufgeregte Zeit des Dunkels als Raum der inneren Einkehr.

Fast unwirklich manchmal befinde ich mich in einem magischen Seelenzustand.
Die Grenzen verschwimmen im großen kosmischen Raum. Der November ist eine poetische Einladung, mich selbst in diesen Übergängen zu erleben und zu fühlen. Das Vergehen geht bildhaft mit mir mit. Der Tod ist an meiner Seite. Ich kann es spüren. Fahr ich manchmal über’s Wasser, dann ist es wie eine Überfahrt ans andere Ufer. Es hat eine anmutige Schönheit. Führt mich auch zum Gebet. Eine Demut vor dem Sein. Rilkes Texte über den Tod, Hölderlins “Hälfte des Lebens” sprechen zu mir.
Meine Novembergedichte kommen aus dieser seligen Dunkelheit, den stillen Übergängen.
Ich wünsche Ihnen und euch Verbundenheit beim Lesen meiner Novembergedichte aus den Jahren 2009 bis 2019. Vielleicht auch Inspiration zur schreibenden Einkehr.
Herzlich
© Heidrun Adriana Bomke
NOVEMBERBILD I
Glasperlenspiel
ein Silberlicht auf Fäden gezogen
ein stilles Mosaik
Himmelsfenster.
NOVEMBERBILD II
Ich schaue den tänzelnden Blättern zu
sie schweben schweben schweben
langsam
vom Himmel
herab
Müde goldene Herzen
finden mühelos
ihr irdisch Grab.
© Kladow, Berlin am 16.11.19
SANFTGRAUER NOVEMBERMORGEN
Ich mag diesen sanftgrauen Morgen
Wenn das Licht kaum scheint aus der Nacht hervor
Wenn Apollon nicht öffnet das große Tor
Ich mag diesen sanftgrauen Morgen
Meine ruhigen Schritte im Sand
Ohne Hast gehe ich am Strand
Ich mag diesen sanftgrauen Morgen
Eine kleine Möwe noch schaukelt auf ihrem Wellenbett
Eine andere findet das leichte Himmelssegeln sehr nett
Ich mag diesen sanftgrauen Morgen
Meine Seele schmiegt sich süß hinein
Ein Novembertag lässt mich geborgen sein.
© 29.11.17, am Strand von Puntasecca
DER NOVEMBER LEGT SICH SANFT ZUR RUH
Für Beata
Meine ruhigen Schritte auf dem nassen Herbstlaub.
Fast tonlos mein Gehen.
Ich verweile.
Lausche dem leisen Tropfen des Novemberregens.
Das aufgeschreckte Flattern eines Vogels neben mir.
Am Himmel küssen sich die Abendwolken.
Da ist er auch schon der erste Stern.
Leuchtet ohne Laut.
Feierlich am Neumondtag unter dem Vulkan.
So still sein ewig Feuer in der blauen Stunde.
Nur im Kamin jetzt züngelt das Holz.
Heult eine ferne Stimme mir zu.
Seelige Dunkelheit fällt herab.
Der November legt sich sanft zur Ruh.
© 29.11.16, 17.25 Uhr, Contrada Monte Arso nr. 2, am Ätna Süd
MEIN BUNTES SOMMERKLEID
Das Jahr geht den Novemberweg.
Mein buntes Sommerkleid
zerschlissen
hängt am Schrank.
Ich schneide es in Fetzen
winke der Sonne zu
und mache mich auf
die Reise.
NOVEMBERHERZEN
Die grauen Wolken tropfen.
Auf den Steinen spielt das Wasser.
Ein Eichelhäher sitzt in der Weide.
Er zählt die fallenden Blätter und ruft
Die Zeit aus wie der Kuckuck im Frühling.
Ich betrachte die gepflanzten Herzen im Garten und verbrenne noch einen Brief.
© Breselenz, Wendland 3./4.11.09
