Die sizilianischen Orangen von Giuseppe

sizilianische Orangen

Die sizilianischen Orangen von Giuseppe

Giuseppe aus Punta Secca. Ein junger Mann im Alter meines älteren Sohnes. Also um die 30. Ich lernte ihn kennen, als ich eine Betreuung für meine Hündin Neringa suchte über Weihnachten 2017/2018. Irgendwer sagte mir: “Frag mal Giuseppe!” Das war ein guter Tipp, denn Giuseppe und seine Familie sind so liebe Menschen und haben meine Hündin wie die eigene 3 Wochen aufgenommen. Seitdem freuen wir uns immer, wenn wir uns sehen, sprechen ein bisschen. Und ich bekam vor einem Jahr einfach so Orangen und Zitronen gebracht – gratis!

Denn Giuseppe hat irgendwie einen Orangengarten.

Nichts Ungewöhnliches, denke ich. Hier ist ja alles voller Orangen. Nun kam ich ein Jahr später, also vor kurzen, auf die Idee, ihn zu fragen, ob ich mit meiner Neujahrsreisegruppe mal zum Orangengarten kommen könnte. Der junge Mann sagte: Si, con piacere. Ja, sehr gerne.

Orangen und Zitronen aus Sizilien

sizilianische Orangen

 

 

 

Am Nachmittag des 2. Januar standen wir im Orangenhain in der Nähe von Santa Croce.

Und staunten, staunten, staunten. Ungefähr 600 Orangenbäume, dazu Limoni und lange Reihen von Oliven wie Wächter, die den Bäumen Schutz geben. Und: Fast alle Bäume waren voller Früchte!
Wie kam das??? Man muss wissen, dass man ab Mitte November bis Mitte März Orangen und Mandarinen auf Sizilien erntet.

Nun erzählt Giuseppe seine Geschichte und sie könnte sizilianischer nicht sein.

Das Grundstück gerhörte dem Urgroßvater, der aber nach Amerika auswanderte  … – sein Nonno, der Großvater, legte den Garten vor ungefähr 25 Jahren an. Alles zu Hand. Die Pflanzungen. Sie fanden Wasser und bauten einen Brunnen. Zur Hand. Er zeigte uns die vielen Stufen hinab – mit der Hand in die Erde gegraben. Man muss ja an den Brunnen herankommen, wenn mal was kaputt ist oder gesäubert werden müsse. Ich sah das alles vor mir, denn es war nicht die 1. Erzählung dieser Art, die ich hörte. Ich sah die uralten Hacken vor mir, die immer wieder zusammengeflickt wurden. Irgendwie funktionierten sie.

In mir vollendet sich langsam das Bild harter harter Arbeit auf dieser Insel – unglaublich hart und einfach muss das Leben gewesen sein für die Besitzlosen bis in die 70er Jahre.

Doch der Nonno bewirtschaftete hartnäckig das Land, das war seine Aufgabe. Ein Familienhäuschen wurde gebaut und bis vor wenigen Jahren verbrachte die gesamte Familie dort den Sommer. Wie das so Sitte ist. Der Nonno starb und die Zeiten änderten sich.

Ja, die Zeiten für die sizilianischen Orangen änderten sich gewaltig.

Giuseppe, der nur am Wochenende Zeit für die Orangen hat, erzählt, dass er versucht, irgendwie dieses Erbe, das er liebt, am Leben zu erhalten. Nur wie? Wir fragen: “Warum nimmst du nicht Arbeiter, die ernten und bringst die Orangen nicht zum Großhandel?” Erstens bekommt er keinen Menschen, der erntet. Die Tunesini arbeiten nur in den Gewächshäusern und sie haben auch keine Liebe dazu. Die braucht man. Das glauben wir sofort und ich weiß von einem älteren Giuseppe aus Ribera, wie pfleglich so ein Orangengarten behandelt wird. Hier wie dort nur mit Wasser und ohne Dünger. Doch die Bäume müssen beschnitten werden und das Unkraut muss weg. Ansonsten sterben sie ab. Wir sehen es. Und:

Siziliens Orangen sind auf Sizilien immer weniger gefragt.

Wie bitte? Ja, seit der Markt überschwemmt wird mit Orangen aus Marokko und Tunesien, die pro Kilo für 10 cent gehandelt werden, hat der sizilianische Orangenbauer kaum noch eine Chance. Das Paradoxon der Globalisierung und anderer undurchsichtiger Wirtschaftsmechanismen. Ich weiß es bereits aus anderen Erzählungen und sehe den Frauen das Erschrecken an. So ist das. Nun, Giuseppe zeigt uns auch die Arance vaniglie und die Königinnen der Zitrusfrüchte: il cedro. Wir nehmen von allem und kosten. Reiben die Hände am cedro – ein Duft!!!
Der junge Mann hat sichtbar Freude, uns zu zeigen, was sein Nonno, sein Großvater, angelegt und was er irgendwie erhalten möchte. Es gibt bereits Inititiven: Vom Produzenten zum Konsumenten … – er sucht noch, was er machen kann und will. Gut so. Da wächst etwas Neues … – wir wünschen ihm alles Gute!

sizilianische Orangen
Orangenernte bei Giuseppe
Cedro
Cedro

 

 

 

Und wir haben alle Ideen, was man noch machen könnte:
Orangenlikör!!!

Ich bin sicher, dass manche Frau der Reisegruppe heute noch nachdenkt, wie was gehen könnte mit Giuseppes Orangen. So glücklich sah ich die Gesichter der vier Frauen, die ich begleitete! Bewahrheitet sich wieder Goethe mit seiner Romantik:

“Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn / im dunklen Laub die Goldorangen glühn”

So romantisch ist es nicht, das sizilianische Leben. No.

Das Familienhaus ist verbrettert und zugenagelt. Jedes Jahr Einbrüche der Tunesier, die hier um die Ecke in den Gewächshäusern arbeiten. Schaden von tausenden Euro über die Jahre. So macht sich das soziale Gefälle sichtbar. Das Haus ist aufgegeben. Die Familie nun in Punta Secca im Ferienhaus, denn die eigentliche Wohnung ist in Ragusa. Auch das ganz typisch – es gibt ein extra Familienferienhaus für alle.

Und Ende Februar werde ich wieder mit einer Gruppe und Giuseppe Orangen ernten und seinen Geschichten über das sizilianische Leben lauschen.

Und im April und Mai dann den Duft, den betörenden Duft der Orangenblüte – la Zagara!

Wollen Sie nicht dabei sein und dann noch fruchtige Geschichten schreiben und Orangenmarmelade essen und spremuta di arancia – Orangensaft – trinken …? Hier geht es zur nächsten Schreibreise an die sizilianische Küste vom 23.2. bis 2.3. 2019!

Von Herzen und mit einem Salve,

Heidrun Adriana Bomke · Autorin und Lebensreisebegleiterin